Die Bedürfnisse aller – und wo bleibe ich?

„Ganz aufgehen in der Familie
heißt ganz untergehen.“
Marie von Ebner-Eschenbach

            Aufgrund meiner persönlichen Entwicklung leide ich an einer extremen Form der Entgrenzung: Ich lasse das Außen viel zu nahe an mich heran. Was ich in Büchern lese oder in Filmen sehe, knallt direkt in mein Herz. Ich mache die Angelegenheiten anderer, vor allem der Menschen in meinem nächsten Umfeld, zu meinen persönlichen Aufgaben und vergesse dann, mich um meine Bedürfnisse zu kümmern. Sobald eines meiner Familienmitglieder in der Früh knapp vor dem Aufbruch etwas nicht findet (und Eltern wissen, wie oft das vorkommt!), stelle ich das ganze Haus um, bin gestresst und brauche eine ganze Weile, um mich danach wieder auf meine Aufgaben konzentrieren zu können. Ich gebe zu viel und nehme zu wenig. Ich ströme aus und schütze meine Grenzen nicht. Ich bin allzeit präsent und hätte doch gern ein Schneckenhaus, in das ich mich zurückziehen kann. Jeden Tag aufs Neue bekomme ich also die Aufgabe gestellt, mich von den Befindlichkeiten der Kinder (welch Wirbelstürme!) und den verschiedenen Verantwortungsbereichen abzugrenzen, meine Bedürfnisse ernst zu nehmen, meinen inneren Kern zu schützen und trotzdem empfänglich für die Töne und Farben meiner Mitmenschen zu bleiben.

❤️ Im Endeffekt können wir nur gute Beziehungspartner sein, wenn wir uns selbst und unsere Bedürfnisse schützen. Sich liebevoll und achtsam abgrenzen lernen ist ein lebenslanger Prozess, der mit Schreiben unterstützt werden kann. Hierbei helfen beispielsweise Morgenseiten im Sinne von Julia Cameron, in denen man sich fragt: Wie geht es mir heute? Was kann ich tun, um mich, meine Bedürfnisse und meinen persönlichen Raum zu schützen? Durch regelmäßiges Schreiben näherst du dich deinem eigenen Ich und stärkst sowohl deinen Kern als auch deine Schutzhaut.

❤️ Trainiere dein Abgrenzungspotential und lerne, ohne schlechtes Gewissen für dich selbst da zu sein, um der inneren Stimme und den Herzenswünschen lauschen zu können. Schreib Sätze auf, die mit „Ich bin nicht (mehr) verfügbar für…“ beginnen. Spür in dich hinein, um die Liste mit allen Punkten zu füllen, für die du nicht mehr herangezogen werden willst. Dies umzusetzen, wird oft auf Unverständnis der anderen stoßen, doch ist für den heilsamen und stärkenden Abgrenzungsprozess notwendig. Lerne, ja zu deinen Bedürfnissen zu sagen.

❤️Es hilft schon, wenn du in deiner Geldbörse oder in deiner Handtasche einen kleinen Zettel hast, auf dem steht: „Ich darf ohne schlechtes Gewissen Nein zu anderen sagen, um Ja zu mir zu sagen!“

siehe auch Mutterfalle, loslassen, Nein sagen, Raum

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